Montag, 11. Juni 2007

Pedro Paixão II: »Die Katze«


Es gibt Tage, weißt du, da möchte ich wie eine Katze sein und dass du mich anfasst ohne dir zu wünschen, dabei irgendetwas fühlen zu wollen außer dem, was sich in einem sehr langsamen Räkeln ausdrückt - eine vage Dankbarkeit? - und dass du mich dann auf dem Sofa liegen lassen würdest, ohne dass du etwas von meiner Seele mitnehmen könntest, denn du wüsstest gar nicht, was davon zu rauben wäre.

Freitag, 8. Juni 2007

Pedro Paixão: »Prinzessin«

Ab heute gibt es in unregelmäßigen Abständen Kurzgeschichten und andere Texte des portugiesischen Autors Pedro Paixão auf meinem Blog. Es sind Geschichten der portugiesischen Generation X. An dieser besticht vor allem das atemlose Sprechen des Erzählers. Viel Spaß beim Lesen.

Prinzessin

- Sie war es, die anrief und sagte: Hör zu, heute Nacht gehe ich mit irgendeinem anderen Typen aus, und ich fragte sie, warum sie mir das erzählte, und sie sagte, damit ich Bescheid wüßte, dass man auf diese Art einen Schlußstrich zieht und wir danach nicht mehr zurück können, rückgängig machen was passiert war und anderes Zeug in dieser Art, verlange nicht von mir, dass ich mich an alles erinnere. Mir brummte der Kopf und ich sagte ihr: geh nicht aus dem Haus, ich bin schon unterwegs, und ich fuhr los, das Auto lief auf Hochtouren und mein Kopf dachte schnell und kehrte immer wieder zu dem Gedanken zurück, wer der Kerl war, nicht du, der mit ihr ausgehen würde, meiner Prinzessin, und als ich ankam, schaltete ich nicht mal das Licht am Auto aus und fuhr mit dem falschen Fahrstuhl hoch und mußte zurück nach unten und den anderen nehmen und als ich oben war, kam ihre Mutter, um mir die Tür aufzumachen - Kann ich Joana sehen, und die Mutter, die ich bis dahin nur zwei Mal gesehen hatte, sagte nichts, öffnete nur die Tür und verschwand dann in einem der Zimmer. Joana saß vor dem Fernseher mußte wohl schon ein Päckchen Librium genommen haben, ich kann das an ihren Augen erkennen, du täuschst mich nicht, kaum sah sie mich, weinte sie ein bißchen und hörte dann wieder auf und sagte plötzlich, daß ich unvernünftig wäre und gemein, da ich seit einem Monat nicht anrief, dass sie mir völlig egal wäre und nur weil sie jetzt sagte, dass sie mit irgendeinem Typen ausgehen würde, nicht du, nur um nicht allein auszugehen, dass ich begreifen sollte, dass sie nicht allein ausgehen könnte und dass sie seit einem Monat zu Hause eingesperrt war und es einfach nicht länger ertragen würde – Scheiße, dass sie einfach ausgehen müßte. Und ich immer ruhig, nahm ihre Hand, die eisig war, und kurz darauf klingelte das Telefon und ich verstand, dass es der andere Kerl war, den ich nicht kannte, jetzt weiß ich wohl, wer er ist, und sie sagte ihm gleich, dass ich da war, als ob er mich kennen würde – und vom Sehen kannte er mich auch – sie begriff, dass sie nicht mehr mit ihm ausgehen konnte – vielen Dank auch – und ich wollte die Stimme von diesem Typen hören, von diesem Wichser, aber ich konnte nichts hören, nur das Telefon, das schließlich aufgelegt wurde. Und dann sagte ich ihr: Lass uns gehen. Sie ging für zehn Minuten ins Bad, während ich bei einer Episode von Mac Gyver hängen blieb, die mir vorkam, als hätte ich sie schon gesehen, und dann griff sie sich die Lederjacke, die ich ihr zu Weihnachten geschenkt und die mich ein Vermögen gekostet hatte und wir fuhren mit dem richtigen Fahrstuhl nach unten, sie schmiss die Tür hinter uns zu ohne ein Wort zu sagen, unnötig, und kaum waren wir ins Auto gestiegen, sah ich, daß es ihr nicht gut ging und sie bat mich, Musik einzulegen und ich sagte, dass ich ihr zuerst ein paar Dinge sagen wollte und sie sagte später. Zuerst fuhren wir in die Bar do Rio, sie bestellte gleich einen doppelten Wodka und ich das gleiche und sie war still und blass, wie ich sie vorher nie gesehen hatte und ungefähr eine Viertelstunde später sagte sie, dass wir woandershin gehen könnten und sie ging sofort rauß, ich brauchte eine Weile zum Bezahlen und holte sie ungefähr fünfhundert Meter weiter ein und sagte ihr, wenn es so wäre, würde ich sie zu Hause absetzen, und sie sagte mir, sie wolle weitergehen. Und als wir im Kremlin ankamen, hielt sie sich am Türsteher fest, Paulo, den ich auch ganz gut kenne, aber es war unnötig, sich so an ihn zu klammern, und gleich danach sagte ich ihr, dass es besser wäre, dort zu bleiben, weil ich langsam angepisst war, und ich war es, glaub mir. Sie bestellte noch einen doppelten Wodka und ich nahm auch einen, und da es nicht möglich war, sich zu unterhalten, weil die Musik so brülllaut war, gab es auch keinen Grund, sich zu unterhalten, und ich fing an zu bereuen, dass ich sie zu Hause abgeholt hatte, denn wenn eine Sache nicht gut beginnt, endet sie noch schlechter, und solche Sachen, die mir durch den Kopf gingen, während ich nach zwei oder drei Mädchen sah, mit denen ich mich sehr gut unterhalten hätte, wenn ich nicht mit Joana hier gewesen wäre, meiner Prinzessin. Und sie ging tanzen und ich sah ihr hinterher. Und dann, noch blasser, womöglich war es wegen dem Licht, sagte sie mir: Ich will schon gehen, und dass sie sich nicht gut fühlte, und diesmal verabschiedete sie sich nicht mal von Paulo, dem Türsteher, den du auch gut kennst. Und sie wollte keine Musik im Auto und kotzte aus dem Fenster, hielt ihren Kopf eine Viertelstunde so nach draußen, und als wir vor meinem Haus ankamen, sagte sie mir, dass sie nicht mit reinginge. Und ich stieg aus, mir war nicht nach noch mehr Rumgezicke, und sie stieg aus und ging ins Wohnzimmer, legte sich aufs Sofa und bat mich, wenn ich so freundlich sein wollte, ihr noch einen Wodka zu holen, und ich ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu holen, das sie trank, ohne etwas zu sagen. Und ich kniete mich vor sie hin und begann, ihren Körper zu berühren, mit meiner Hand unter ihrer Kleidung, und wurde erregt und wollte es so schnell wie möglich machen, nur um so schnell wie möglich fertig zu sein, aber es ging nicht und sie wollte ins Bad gehen, von wo sie ungefähr eine Viertelstunde später zurückkam und sich dann auf mich legte, stöhnte, wie nur sie es kann und dann schlief sie in meinen Armen ein, meine Prinzessin, und ich dachte – Komisch, dass da jemand, nicht ich, dabei war, mein Leben zu leben.

Mittwoch, 6. Juni 2007

G8-Gipfel im Bunker

Vor einigen Tagen hatte ich das Vergnügen, den ehemaligen Atombunker der DDR-Militärführung in Harnekop zu besichtigen. 1,5 Meter dicke Betonwände schirmen das Gebäude, das 30 Meter tief im märkischen Sand vergraben liegt, ab. Auf drei Etagen liegt eine Kommandozentrale des Kalten Krieges, die für 455 Menschen und 25 Tage autarkes Leben vorgesehen war.
Der Bunker erscheint mir viel geeigneter für den heute beginnenden G8-Gipfel als das windige Hotel in Heiligendamm. Er ist leicht zu schützen, es gibt wirklich nur einen Zugang, und mit Pflastersteinen, Molotowcocktails und Eisenstangen ist dem Monstrum nicht beizukommmen.
Aber es gibt noch einen weiteren Vorzug: In der muffigen Atmosphäre hätten die Regierungschefs nach spätestens 3 Tagen einen ganzen Sack voller Bechlüsse gefasst, die alle Probleme der Welt lösen würden, so sehr hätten sie sich darauf gefreut, die Sonne und die Menschen wieder zu sehen.
Manchmal hilft es eben mehr, sich selbst einzusperren, statt die Kritiker auszusperren - Vorbild ist hier, wie auch in anderen Dingen, die katholische Kirche. Deren Kardinäle gehen mehr oder weniger freiwillig in Klausur, wenn es gilt einen neuen Papst zu wählen.

Sonntag, 3. Juni 2007

Nachtrag zum Karneval der Kulturen

Eine Strophe von Vinicius de Moraes' »Felicidade«:

A felicidade do pobre parece
A grande ilusão do carnaval
A gente trabalha o ano inteiro
Por um momento de sonho
Pra fazer a fantasia
De rei ou de pirata ou jardineira
Pra tudo se acabar na quarta-feira

Tristeza não tem fim
Felicidade sim

Traurigkeit war eines der immer wiederkehrenden Themen in der Lyrik von Vinicius de Moraes.
Warum, das kann man in diesen Zeilen lesen:

Guten Tag Traurigkeit
Wie spät, Traurigkeit,
Kommst du heute zu mir
Ich war schon dabei
Ein wenig traurig zu werden
Weil ich so lange
Ohne dich war