Mittwoch, 14. Februar 2007

Neulich bei der Berlinale

Vorgestern abend am Potsdamer Platz. Ich sah mit M. und K. den malayischen Dokumentarfilm »Village People Radio Show«. Die Auswahl des Films war mehr oder weniger zufällig, da wir keine Karten vorbestellt hatten und nur dieser Film und eine Dokumentation über Andy Warhol zur Auswahl standen. Der Warhol-Film dauerte 4 Stunden, also entschieden wir uns für Malaysia. Der Film war ausgesprochen klug und sogar kurzweilig. Ich sage nicht überraschenderweise, denn das wäre eine Beleidigung des Regisseurs in meinen Augen. Es ging um die ehemaligen muslimischen Kommunisten oder kommunistischen Muslime, die in der Rebellenarmee Jahre lang im Dschungel gegen die britischen Besatzer und für die Unabhängigkeit Malaysias gekämpft hatten. Malaysia weigert sich bis heute, diese Menschen und die Kommunistische Partei anzuerkennen. Sie leben in den Wäldern Thailands, das ihnen etwas Land und eine kleine Rente zahlt. Sie sind stolz auf ihren Widerstandskampf und genießen ihren Lebensabend. Sind sie Kommunisten? Auch wenn sie sich so bezeichnen, würde ich sagen, es sind Menschen, die sich ihre Menschenwürde bewahrt haben, die sich Bildung angeeignet und gegen den Kolonialismus gekämpft haben. So zeigte sie der Film. In der anschließenden Diskussion stachen vor allem zwei Fragen heraus: Die nach den im Film nicht präsenten Frauen und die nach den Mädchen, die beim Spielen gezeigt wurden und Kopftücher trugen. Weder das eine noch das andere hatte etwas mit dem Film zu tun, wer Augen, Ohren und gesunden Menschenverstand hatte, wäre auch gar nicht auf den Gedanken gekommen. Amir Muhammad, der Regisseur, war von den Fragen ebenso überrascht, aber nicht um eine Antwort verlegen. Auf die Frage, warum die Frauen nicht präsent waren, antwortete er: »Sie fühlten sich von den Dreharbeiten wohl gestört und gaben nur knappe Antworten. So wollte ich sie aber nicht zeigen, weil ich ihnen damit nicht gerecht geworden wäre.« Auf die zweite Frage, warum denn die Mädchen alle Kopftücher tragen würden, sagte der mit einem Lachen: »Sie haben Angst, in die Hölle zu kommen.«

Sonntag, 4. Februar 2007

Die Gesichter der Generation Praktikum



J. (li.) ist eigentlich keine Praktikantin mehr, aber das genau ist das Problem der so genannten Generation Praktikum. Es ist schwer, den Schritt vom Praktikum zur bezahlten Arbeit zu machen, die den Namen auch verdient und mehr als nur ein Taschengeld einbringt. Genau genommen sind die Praktikanten also Selbständige, die aber kaum von ihrem Lohn leben können. Also helfen die Eltern oder Hartz IV aus. Deutschland ist im Begriff, eine verlorene Generation heran zu ziehen. Ein paar Beispiele gefällig? Da ist ein guter Freund, promovierter Politikwissenschaftler und alles andere als praxisfern. Er forscht über jugendliche Subkulturen und hat zur aktuellen Bildungsdebatte mehr als nur eine Meinung beizutragen. Er hat sogar Ideen. Die sind in diesem Land allerdings nicht gefragt. Nach Absschluss seiner Promotion lebte er eine Zeit lang von Hartz IV. Inzwischen ist er Honorarkraft für verschiedene Institutionen. Unter anderem für das Land Thüringen. Er erhält 800 Euro im Monat. (Honorar, wohlgemerkt, kein Gehalt) für eine Arbeit, die ihn ohne Weiteres voll in Anspruch nehmen könnte. Ein weiteres Beispiel gebe ich nur wieder. Ich habe die Geschichte aus zweiter Hand gehört, kann mich allerdings für ihre Wahrheit verbürgen. Eine Hochschulabsolventin, schwanger, meldete sich arbeitslos. Kommentar der Sachbearbeiterin: »An ihrer Stelle würde ich erschießen.« In was für einem Land leben wir eigentlich?