Dienstag, 31. Juli 2007

Porto in vier Farben II

Was heißt es Portugiese zu sein? Ich bin kein Soziologe, aber es dürfte ein Mensch sein, der es nicht merkwürdig findet, dass es ein Gebirge gibt, dass Estrela heißt - ich sage das, weil ich einmal nachts eine Amerikanerin kennenlernte, die dachte, dass Afrika gleich hinter dem Tejo anfangen würde, und dass man es demzufolge vom Terreiro do Paço aus sehen könnte. Ich hielt es übrigens nicht für notwendig, sie zu berichtigen. Portugiesen sind Menschen, die, wenn sie Eusébio spielen sehen, direkt oder indirekt fühlen, dass er zur Familie gehört; die die Tradition pflegen, auszuspucken, wenn sie spazierengehen – eben solche Sachen, die man gemeinsam hat. Und natürlich bedeutendere Dinge wie die gleiche Sprache zu sprechen. Aber genau hier beginnen die Dinge kompliziert zu werden. Das Portugiesisch, dass ich in Porto hörte, ist syntaktisch besser ausgearbeitet und die Wörter angemessener, als das Portugiesisch, dass man in Lissabon spricht. Ich will sagen, man spricht dort besser. Ich bemerkte es, als ich mich im türkischen Bad, wo ich mich viel länger als gewöhnlich aufhielt und der Dampf mir die Sicht nahm, von dem Klang und der Art und Weise zu sprechen faszinieren ließ. Sie sagen die Dinge vollständig, wenn ich mich so ausdrücken darf, was moralische Qualitäten wie Mut und Direktheit voraussetzt; oder, um deutlich zu sein, sie sprechen nicht auf portugiesisch, wie wir, sie sprechen portugiesisch, Punkt.
Aber ich bin zerstreut und muß mich konzentrieren, sonst werde ich nie fertig mit dem, was ich erzählen will. Ich drehe meine Runden. Ich bin nicht aus Porto. Wenn ich aus Porto wäre, würde ich schneller und sicherer Auto fahren, mehr und besser trinken und nicht glauben, alle bekannten Leute zu kennen, in Wirklichkeit jedoch so wenige.

Ich saß also auf einer Terrasse in Foz, mit weißen Fahnen, die im Wind wehten, dem Meer, dass an die Felsen schlug und einer Frau an meiner Seite, die Pfefferminztee trank. Das war am zweiten Tag meines ersten - und einzigen - Aufenthalts in Porto.
Ich hatte mich letzte Nacht sehr spät hingelegt. Ich konnte nicht schlafen, obwohl das Zimmer exakt denen der anderen Meridiens glich, und hörte nicht auf, mich durch die Fernsehkanäle zu zappen. Aus genau diesem Grund habe ich zu Hause keinen Fernseher – weil ich nichts anderes tue, als in das Gerät zu schauen, wenn ich eines vor mir habe, und da ich, wie ich schon sagte, kein Dichter bin, muß ich arbeiten. Ich fasste mir ein Herz - komisch, dieser Gebrauch des Verbs fassen – duschte mich, zog mich an, fuhr mit dem genau gleichen Fahrstuhl wie in allen Meridiens hinunter, stieg in das Taxi, das vor der Tür des Hotels wartete und sagte: »Aniki-Bóbó«. Ich weiß, das ist ein eigenartiger Name, aber ein Freund, Pité, hatte mir gesagt, dass ich ins »Aniki-Bóbó« gehen müsste, und das tat ich. Nicht um ihm den Gefallen zu tun, sondern einfach weil ich nicht einschlafen konnte.
Man ließ mich hinein, obwohl man mich nicht kannte, was mir ein bißchen Trost verschaffte. Ich bestellte etwas zu trinken, weil ich Durst hatte, und ein weiteres Glas zum Entspannen. Ich mag keinen Alkohol. Und da war es: das Ambiente war nicht viel anders als im »Frágil« - besser war nur die »Gulbenkian« meiner Jugend, würde ich sagen - aber es war anders, als wäre man in einem fremden Land und ich wußte nicht warum. Aber ich bekam es bald heraus.
Rui Reininho, den ich sehr gut kannte, woran die Erfindung der Fotografie schuld ist, und den ich auf eine Weise verehre, dass meine Kollegen es nicht zu wissen brauchen, kam zu mir und sagte etwa: »Sind sie nicht der, der den Pessoa-Preis gewonnen hat und diese Woche im »Expresso« erschienen ist?« Da haben wir es: die Portugiesen kaufen den Expresso sonnabends, die Iren nicht. Ich sagte, mit leichtem Stolz, der meinen Körper aufrichtete, »Ja.«
Ich bin von Beruf Mathematiker, Topologie ist mein Forschungsgebiet und ich habe in Princeton einen wichtigen Beitrag zum Beweis des weithin berühmten Theorems der vier Farben veröffentlicht, das, wie man weiß, seit den Arbeiten von Appel und Haken als unbeweisbar galt, obwohl es schwer etwas einfacheres auf der Welt geben dürfte. Deswegen habe ich den Preis gewonnen (Ich habe mich noch nicht entschieden, wie ich das Geld ausgebe.), und mein Foto erschien in einer Zeitung. Und das erlaubte es Rui Reininho, was alle brennend interessiert, mich im »Aniki-Bóbó« wiederzuerkennen (was für ein eigenartiger Name!).

Sonntag, 29. Juli 2007

Das Marlowe-Syndrom

Eigentlich sollte heute der 2. Teil von »Porto in vier Farben« hier stehen. Aufgrund des schlechten Wetters habe ich mich aber entschieden, einen Text einzustellen, den ich vor fünf Jahren geschrieben habe…

Das Marlowe-Syndrom.

Wenn es dir schlecht geht, greif zum Telefon, ruf jemanden an, mit dem du eigentlich nie wieder irgendetwas zu tun haben wolltest, dessen Telefonnummer du eigentlich gar nicht mehr haben solltest, die du aber aus irgendeinem Grund doch aufgehoben hast. Warte, bis sich alle anderen Freunde, mit denen du die ganzen Jahre deine Zeit verbracht hast, mit denen du dich in Kneipen verabredest hast, die du zu Hause besucht hast, die dir ein Ohr geliehen haben, weil es dir schlecht ging und von denen du dir dafür ein Ohr abkauen lassen musstest, aber alles in allem war es eine faire Sache, denn sie haben dich nicht mehr beläsigt als du sie und genau betrachtet glichen die Probleme, die sie mit der Welt hatten auf unheimliche Weise deinen eigenen. Das machte es einfacher, nehme ich an, man kann sich schwer auf Probleme einlassen, auch wenn man noch so ein guter Zuhörer ist, die nicht von dieser Welt sind, zumindest nicht von deiner oder ihrer, Probleme, die kleine Mädchen mit dem Erwachsensein haben, und das genau ist der Punkt, an dem du den Fehler begehst, eines dieser Mädchen, mit denen du vor einem Jahr oder zweien mal zu tun hattest, anzurufen, weil deine Freunde alle im Sommerloch verschwunden sind und du sie gerade in diesem Moment auf eine Reise durch die Barwelten einladen wolltest. Du begehst nicht allein diesen Fehler. Ihm gehen eine ganze Reihe kleinerer Fehler voraus, und erst am Ende machst du diesen letzten und größten und wählst ihre Nummer. Den ersten hast du begangen, als du ihre Telefonnummer nicht in tausend Schnipsel zerrissen, die Schnipsel mit Benzin getränkt verbrannt und die Asche in einer Bleikapsel eingeschlossen im Sankt-Andreas-Graben versenkt hast. Wenn der erste Fehler nicht noch weit davor lag, dann lass dies als Anfang gelten. Den zweiten Fehler, wenn wir einmal dabei sind, hast du begangen, als du die Telefonnummer nicht nur nicht vernichtet, sondern auch noch benutzt hast. Ich meine nicht, um damit irgendwelche Gedächtnisspielchen oder kabbalistischen Untersuchungen anzustellen, sondern benutzt, um dieses Mädchen, dass mit dem Erwachsenwerden die üblichen Probleme hat, anzurufen, obwohl du genau wusstest, dass das einzige Resultat dabei sein konnte, dass sie dich in genau diese Probleme mit hinein ziehen würde. Es interessiert sie kein Bisschen, dass du ganz andere Probleme hast. Unwichtigere, in ihren Augen, denn alles, was diese kleinen dunklen Mädchenaugen wahrnehmen, ist ein riesiger Berg von selbstgemachten Schwierigkeiten, die sie daran hindern, das Leben als das zu akzeptieren, was es ist: ungerecht und grausam. Das heißt, sie sieht durchaus die ungerechten oder grausamen Seiten des Lebens, aber eben nicht die wirklichen Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten, die weit weniger dramatisch daherkommen, als sie sich das vorstellt. Kein Mord und Todschlag, kein Blutvergießen, ganz sanft und auf rosa Wölkchen kommen sie daher. Aus ihrem Mund und aus den Mündern einer ganzen Armee von kleinen Mädchen ihrer Art, die sich allen Ernstes vorgenommen haben, nie jemandem im Leben weh zu tun, sich nie in emotional ausweglose Situationen zu bringen und die dieses Ziel mit der Präzision einer lasergesteuerten Rakete und um den Preis einer beispiellosen Kaltschnäuzigkeit auch erreichen. Von der ganzen Welt erwarten sie Verständnis für alles, sie wähnen sich praktisch im Besitz eines Blankoschecks vom lieben Gott persönlich, ausgestellt auf die Bank vom Heiligen Geist. Ein solches Mädchen würde dir ohne weiteres, wenn sie zu wählen hätte zwischen ihrer Integrität und dir, eine Kugel in den Kopf schießen. Es ist ganz unvermeidlich, sich mit ihnen einzulassen, sie finden einen unweigerlich, und ich war blöd genug, mich mit einer von ihnen einzulassen, und, nachdem ich mit ein paar gehörigen Schrammen davon gekommen war, ihre Telefonnummer nicht sofort zu verbrennen.
Immerhin hatte ich die Nummer nach etwas mehr als einem Jahr vergessen. Ich hatte außerdem alle anderen Spuren von ihr vernichtet, nur dieses gottverdammte Notizbuch hatte ich irgendwo aufgehoben unter dem Vorwand, dass sich darin außer ihrer noch die Telefonnummern von ein paar wirklich alten und entfernen Freunden befanden, Freunde von der Sorte, die man nach Jahren anruft, um dann, von einer plötzlichen Ahnung getrieben, den Schreibtisch nach ihrer Telefonnummer zu durchforsten und festzustellen, dass man sie wohl aus Versehen weggeschmissen hat. Kurz darauf ruft eben dieser Freund in der Regel an und teilt dir mit, dass er sich gerade in der Stadt aufhält, man trifft sich, geht einen heben, es ist ein prickelndes Gefühl, fast wie bei einem Rendevous, um dieses altmodische Wort wieder einmal zu gebrauchen, man redet etwas von früher, trinkt dabei, und wenn es nichts mehr zu reden gibt, dann trinkt man eben nur noch, bis man so voll ist wie ein Gully nach einer Woche Dauerregen. Das ist dann das Ende, wenn man davon absieht, dass es noch ungefähr drei Tage braucht, bis man seinen Magen einigermaßen saniert hat von dem Gezeche. An diesem Punkt schmeißt man dann auch den Bierdeckel mit der Telefonnummer des Freundes weg und hofft, dass der andere es genau so macht. Unter solchen Nummern befand sich also die letze Dame meines Herzens, schon wieder so ein altmodischer Ausdruck. Ich hätte immer noch wie eben beschrieben verfahren können, das Ergebnis wäre nur ein Jahrhundertkater gewesen, und das ist nichts im Vergleich zu dem, was ich mir mit einem Anruf bei ihr einbrockte. Das Marlowe-Syndrom. Wenn du gerade einen Sack voll Ärger am Hals hast, dann greif zum Telefon und diese Bürde wird dir leicht vorkommen, denn was dich bei diesem Mädchen erwartet ist nicht weniger als die Hölle. Das Schlimmste daran ist, dass man sich nicht wehren kann. Nicht mal der ausgebuffteste Talkmaster hätte auch nur den Hauch einer Chance. Und Schweigen ist bei ihr auch kein Gold, sondern Blei. Kaliber .44. Also lass die Hände wo sie sind. Keine Tricks. Schieb das Telefon auf die andere Seite vom Schreibtisch. Ganz langsam. Sieh nicht hin, sieh zur Wand. Die Finger gestreckt. So, und jetzt nimm die Hand zurück, auf den Rücken. Hier, nimm eine Zigarette. So ists gut. Und jetzt die Nummer. Nicht aufsagen, ich denke du hast sie vergessen?! So schnell wieder gelernt? Ich will nicht die Nummer hören. Ich will das kleine Buch aus deiner Tasche. Nur diese eine Seite mit ihrer Nummer. Schieb es auch rüber auf die andere Seite. Danke. Was? Ach ja, einen Aschenbecher. Danach hätte ich dich sowieso noch gefragt. Wozu? Die Zigarettenasche. Sicher. Wo finde ich einen? Im Schreibtisch? Auf deiner Seite, aha. Nimm ihn raus, keine Tricks. So, stell ihn dahin, in die Mitte. Genau. Und jetzt werde ich diese eine Seite hier rausreißen aus dem Buch und die nächste auch noch. Warum die nächste? Die Schrift drückt sich durch, wenn man mit Kugelschreiber schreibt, das weißt du doch? Damit hast du doch gerechnet, oder? Dass ich es nicht weiß? Ich werde noch warten, bis du deine Zigarette aufgeraucht hast, solange etwa wird es dauern, bis die beiden Blätter verbrannt sind. Ich hinterlasse nicht gern Spuren, das solltest du dir mal zu Herzen nehmen, das ist eine der Grundregeln in diesem Spiel, das du das Leben nennst. Ich hab keinen Namen dafür, und ich hinterlasse niemals Spuren. Hier ist ein Kuvert. Gib die Asche hinein und kleb es zu. Gut. Jetzt gib es mir zurück. Okay. Ich werde jetzt gehen, das heißt nicht, dass wir dich nicht mehr beobachten. Wir hören auch dein Telefon ab. Versuch gar nicht, dich an ihre Nummer zu erinnern. Vergiss sie. Versuch nicht, uns aufs Kreuz zu legen und von einer Telefonzelle anzurufen. Wir zapfen auch ihr Telefon an. Ein bisschen mehr Professionalität solltest du uns schon zutrauen, und schreib die Nummer auch nicht nochmal auf, wenn du nicht willst, dass wir uns wiedersehen. Auf Bald, Spürnase.

Freitag, 27. Juli 2007

Europa - eine erlesene Leiche

Mário Soares, ich weiß nicht ob sich jemand an ihn erinnert oder ihn überhaupt kennt, war in den 70-ern und 80-ern mal portugiesischer Ministerpräsident. Er ist noch heute einer der überzeugtesten Europapolitiker. "Ich wünsche mit die Vereinigten Staaten von Europa. Wenn wir das nicht schaffen, dann gibt es kein Europa mehr." Ich wünschte mir, wir hätten mehr Politiker, die solche klaren Worte finden. Es gibt, zu meinem großen Bedauern, keine Europapolitiker in Europa. Es gibt Egoisten, Narzisten, Populisten, nur keine Europäisten. Es gibt christlich-abendländische Visionäre und nationalistische Europahasser - beides Spinner, die nicht begriffen haben, dass Europa eine politische und zivilgesellschaftliche Union ist, die weder ein gemachtes Bett kultureller Identifikation für uns bereit hält, noch uns aus eben jenem vertreiben will. Was ist so schwer an der Vorstellung, Deutscher und Europäer zu sein? Angst, dass sich das eine und das andere irgendwann in Widerspruch zueinander befinden könnten? Und? Hat noch irgendwer diese Erfahrung NICHT gemacht? Schon Goethe lässt Faust im 1. Teil der Tragödie sagen: „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust.“ Und am Ende des 2. Teil hat eben jener Faust einen Moment der Ruhe, in dem er zurückblickt und feststellt, dass er einiges erreicht und geschafft hat in seinem Leben. Er hat sich nicht mit Reden aufgehalten: "Im Anfang war die Tat!", stellt er im 3. Akt fest. Danach handelt er, deshalb fehlt er, bereut - und fährt fort zu handeln.

P.S.: Das Europa, das wir gegenwärtig haben, erinnert mich an ein beliebtes Spiel der Surrealisten: Die erlesene Leiche. Man schreibt einen Satz auf ein Blatt, faltet das Papier so, dass nur das letzte Wort zu lesen ist, und gibt das Blatt weiter. Der Nächste schreibt einen zweiten Satz, der sich oder auch nicht auf das letzte Wort des vorigen bezieht, usw. Die Geschichten, die dabei entstehen, sind mitunter lustig, entsetzlich und von eindringlichen Bildern. Nur eines sind sie nicht: plausibel.

Donnerstag, 26. Juli 2007

Antidopingkampagne: Nehmt endlich diesen Sommer aus dem Rennen!

Der Juli schleicht sich langsam in Richtung Ziellinie, um dann unverzüglich zu verschwinden. Besser so. Es ist davon auszugehen, dass dieser Sommer als gedopt in die Geschichte eingehen wird. Es hätte ein richtig verregneter Sommer werden sollen, so scheint es vorherbestimmt gewesen zu sein. Wir hätten ihn abhaken, zu den Akten legen und in den Süden verschwinden können. So aber versucht sich dieser Sommer immer wieder in die Liste der wärmeren Vertreter seiner Spezies zu drängeln, nur um kurze Zeit später den nächsten (Kälte-)Einbruch zu erleben. Es ist empörend, wenn sich schon die Jahreszeiten mit unerlaubten Mitteln aus ihrer Mittelmäßigkeit retten wollen. Vom letzten Winter ganz zu schweigen, der war schon so hochgezüchtet, dass er problemlos als Frühling durchgegangen wäre. Am Ende wird nichts weiter nützen, als die Jahreszeitenwertung ganz zu streichen…

Mittwoch, 25. Juli 2007

Porto in vier Farben I

Eine Kurzgeschichte von Pedro Paixão. Heute der erste Teil:

”Fick meine Möse, aber meine Seele fickst du nicht.” Genau das sagte sie. Nicht zu mir. Zu wem hatte ich nicht mitgekriegt. Sie erzählte mir irgendeine Geschichte und dieser Satz war der einzige, der in meinem Kopf wider hallte. Auf einer Terrasse in Foz, Pfefferminztee trinkend und das Meer betrachtend, daran erinnere ich mich genau, der ich nie in Porto gewesen war und nicht wußte, dass es so ein Meer gibt, abgesehen davon, dass das Meer, wo auch immer, stets Meer bleibt und ich kein Dichter bin.
Ein Schweißtropfen lief ihren Hals hinunter, ich sehe ihn noch deutlich vor mir, während sie redet, ohne dass ich höre, was sie sagt. Nicht dass es mich nicht interessiert hätte, nur dachte ich gerade an etwas anderes. Vielleicht interessierte mich die Art, wie ihr Kopf sich an ihren Körper anschloß, und die Arme weiter unten, und alles Übrige, dass von einem verlangt, erst mit allem aufzuhören, um wieder neu beginnen zu können. Aber nicht an sie dachte ich. Auch nicht an mich. Oder an eindeutige Dinge zwischen mir und ihr.
Nein, ich schweife nicht ab, obgleich es, glaube ich, nicht verkehrt wäre, ein bißchen abzuschweifen, vor allem wenn man nichts weiter zu tun hat. Aber ich habe etwas zu tun. Ich will eine Begebenheit erzählen, auf eine Art und Weise, dass man sie versteht und danach muß ich arbeiten gehen. Ich werde also von vorne anfangen.

Es war das erste Mal, dass ich in der Stadt Porto war. Ich kam mit einem Zug an, der Lissabon am Nachmittag gegen drei verlassen hatte, ich erzähle das nur, weil ich es komisch fand, alle Leute eingerollt und schlummernd vorzufinden, als ich durch die Wagen ging. Ich kann, außer in meinem Bett, nirgends schlafen und ich reise nicht gern. Aber ich mußte nach Porto, also fuhr ich hin.
Und da ich nicht wußte, ob es in der Stadt mehr als einen Bahnhof gibt, lehnte ich mich, sobald der Zug hielt, aus dem engen Fenster - es war wohl so gestaltet, um Selbstmorden entgegenzuwirken - und fragte ein Paar, das vorbeiging, ob das Porto wäre. Sie lachten nicht, sie sagten nur ja. Ich stieg aus und nahm ein Taxi. Ich hatte ein Zimmer im »Meridien« reserviert, aus dem guten Grund, weil alle Meridiens gleich sind. Blödsinnigerweise dachte ich, als ich bezahlen wollte, dass ich keine Devisen bei mir hatte und dann erinnerte ich mich, dass ich keine Devisen brauchte, weil ich Portugal nicht verlassen hatte. Es kam mir vor, ich weiß nicht warum, als wäre ich im Ausland.

(Fortsetzung folgt)

Montag, 23. Juli 2007

Away…



Ein Wochenende in Mecklenburg. Keine große Reise, dennoch bin ich mit dem Gefühl zurück gekommen, zwei Wochen weg gewesen zu sein. Dazu braucht man nicht viel, dafür die richtigen Dinge: Sommer, ein See wie dieser, ein paar gute Freunde, ein Zelt, ein Boot…



…und einen offenen Blick, der zugleich nach innen und nach außen gerichtet ist. Spring ins Wasser, um die Stadt von der Haut abzuspülen, dann merkst du, dass sie nicht tiefer dringt. Unter der Haut bist du immer noch das Wesen, dass nachts ums Feuer sitzt, auf dem Rücken im Wasser liegend die Sterne betrachtet und sich angesichts dieses Schauspiels ganz klein fühlt, während die Gedanken alle Grenzen überschreiten und ins Unendliche gehen.

Donnerstag, 19. Juli 2007

Pictures on my hard drive

Gestern habe ich meinem Notebook eine neue Festplatte eingebaut. Die alte hatte offensichtlich eine Art Alzheimer Krankheit, obwohl sie noch gar nicht so alt war. Bestimmte Aktionen wie speichern oder öffnen von Dateien dauerten mitunter Minuten. Von Zeit zu Zeit vergaß sie bestimmte Dinge. Mit dem Kalender konnte sie überhaupt nichts mehr anfangen. Einmal waren alle meine Fotos verschwunden. Nicht gelöscht natürlich, sie hat sie nur nicht mehr erkannt. Dafür tauchten von Zeit zu Zeit Bilder auf, die ich vor langer Zeit schon gelöscht hatte. Alzheimerpatienten erinnern sich ja an unglaubliche Details aus ihrer Kindheit.
Nun habe ich die Alzheimerplatte also auf Altenteil befördert - nein nicht entsorgt, sie tut jetzt noch ein bisschen Dienst als externe Platte, nachdem sie neu formatiert wurde. Nichts Anstrengendes. Die neue arbeitet so flugs, dass ich mit dem Bedienen meines Notebooks kaum hinterherkomme.
Manchmal allerdings vermisse ich die rätselhaften Anwandlungen meiner alten Platte, besonders die Macke mit den gelöschten Bildern.

Montag, 16. Juli 2007

Die Liebe, diese Mikrobe

Ich muss vorausschicken, der Titel ist geklaut. Eine Freundin hat ihn auf ihrem Blog bereits verwendet. Da sie aber in einer anderen Sprache schreibt, möchte ich diesen wunderbaren Titel auch den hiesigen Lesern nicht vorenthalten.

Die Mikroben sind die wahren Herrscher der Welt, machen wir uns nichts vor. Sie nisten in unseren Eingeweiden, auf unserer Haut, im Mund und überall auf dem Planeten. Sie tun viel Gutes, manches Schlechte und sind unverzichtbar. Mit der Liebe ist es nicht anders. Menschen werden immer wieder von ihr befallen. Wie bei einer Erkältung greifen wir vorschnell zu drastischen Mitteln, auch wenn diese vollkommen unnütz sind. Ein grippaler Infekt ist eben nur ein lästiges, aber harmloses Virus. Gegen Antibiotika resistent außerdem. Man sollte bei der Liebe eine ähnliche Klassifizierung einführen. Ein »amouröser« Infekt wird eben nicht durch die Liebe, diese Mirkobe, ausgelöst. Auch wenn es sich zunächst so anfühlt. Und er geht vorbei, anders als die Liebe. Die ist heftig und dauerhaft. Auch wenn sie abklingt, steckt sie weiter in uns.
In Übergangszeiten werden wir uns dessen bewusst, deshalb sind diese Zeiten so wichtig. Und natürlich, damit sie uns mitnehmen auf einen Weg, den wir vorher noch nicht kannten. Und uns dabei wieder anstecken lassen von der Mikrobe der Liebe - oder andere anstecken. Manchmal kommt es sogar vor, dass zwei Menschen zugleich sich gegenseitig damit infizieren…

Freitag, 13. Juli 2007

Wings of desire

Berlin breitet seine Flügel wieder über mich, sie sind grau und kalt. Wie die Flügel der Tauben. - Das Berlin aus Wim Wenders "Der Himmel über Berlin" exitiert nicht mehr, las ich in einer Reportage in einer portugiesischen Zeitung. Gestern schien es wieder auferstanden zu sein. Eine Stadt die sich verschließt, die poetisch ist weil sie asozial ist. Der Charles Bukowski unter den Hauptstädten.