Sonntag, 4. Februar 2007
Die Gesichter der Generation Praktikum
J. (li.) ist eigentlich keine Praktikantin mehr, aber das genau ist das Problem der so genannten Generation Praktikum. Es ist schwer, den Schritt vom Praktikum zur bezahlten Arbeit zu machen, die den Namen auch verdient und mehr als nur ein Taschengeld einbringt. Genau genommen sind die Praktikanten also Selbständige, die aber kaum von ihrem Lohn leben können. Also helfen die Eltern oder Hartz IV aus. Deutschland ist im Begriff, eine verlorene Generation heran zu ziehen. Ein paar Beispiele gefällig? Da ist ein guter Freund, promovierter Politikwissenschaftler und alles andere als praxisfern. Er forscht über jugendliche Subkulturen und hat zur aktuellen Bildungsdebatte mehr als nur eine Meinung beizutragen. Er hat sogar Ideen. Die sind in diesem Land allerdings nicht gefragt. Nach Absschluss seiner Promotion lebte er eine Zeit lang von Hartz IV. Inzwischen ist er Honorarkraft für verschiedene Institutionen. Unter anderem für das Land Thüringen. Er erhält 800 Euro im Monat. (Honorar, wohlgemerkt, kein Gehalt) für eine Arbeit, die ihn ohne Weiteres voll in Anspruch nehmen könnte. Ein weiteres Beispiel gebe ich nur wieder. Ich habe die Geschichte aus zweiter Hand gehört, kann mich allerdings für ihre Wahrheit verbürgen. Eine Hochschulabsolventin, schwanger, meldete sich arbeitslos. Kommentar der Sachbearbeiterin: »An ihrer Stelle würde ich erschießen.« In was für einem Land leben wir eigentlich?
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1 Kommentar:
Hier Anschaungsmaterial für Euch Frischlinge, damit Ihr versteht, worauf Ihr Euch u.U. einzustellen habt.
Ich wurde 2003 als unbezahlter Praktikant/WissenschaftlicherMitarbeiter 6 Monate von der CIS Institut für Mikrosensorik gGmbH in Erfurt ausgenutzt.
Als man mich dann nicht wie versprochen nach 6 Monaten eingestellt hat, bin ich vors Arbeitsgericht Erfurt gezogen und habe, da natürlich alles abgestritten wurde, den Arbeitsgerichtsprozess verloren. Meine Leistungen waren übrigens, wie auch im Arbeitszeugnis bestätigt wurde, sehr gut.
Da ich seinerzeit von Sozialleistungen lebte, musste ich, um den Arbeitsgerichtsprozess führen zu können, Prozesskostenbeihilfe beantragen, die auch genehmigt wurde. Vor einigen Tagen habe ich nun ein Schreiben des Arbeitsgerichtes Erfurt erhalten, in dem die Kosten für den Arbeitsgerichtsprozess in Höhe ca. 1400 EURO von mir zurückgefordert werden. Nicht genug damit, dass ich unbezahlt gearbeitet habe. Jetzt muss ich auch noch draufzahlen. Dieses Schreiben hat bei mir alles wieder - wie eine ins Unterbewußtsein abgetauchte Wasserleiche - hochkommen lassen. Ich empfinde die Demütigung unbezahlt gearbeitet zu haben stärker als je zuvor.
Wer meint fleißige MA so behandeln zu können, gehört als asoziales Unternehmen ganz dringend an den Pranger gestellt.
Schlimm ist, dass man das Trauma, unbezahlt gearbeitet zu haben, niemals mehr los wird. Der Hass auf diejenigen, die einen ausgebeutet haben, wird mit den Jahren immer größer. Je mehr man verdient, um so mehr merkt man, wie sehr man ausgenutzt wurde. Setzt Euch diesem Trauma nicht aus.
Leute ich kann Euch nur raten: kein Praktikum. Verlangt direkt, was ihr Wert seid. Und wenn die Euch noch so oft erzählen, wie wichtig ein Praktikum. Die wollen die produktivste Zeit Eures Lebens für umsonst und erzählen dafür sonstwas für Märchen.
Und wenn Ihr in einem von Arbeitslosigkeit geplagten Bundesland wie Thüringen lebt, in dem man es sich wegen des (noch) reichlich vorhandenen Fachkräfte-Pools meint erlauben zu können, dieses wie den letzten Dreck zu behandeln und auszunutzen, dann mein weiterer dringender Rat: Nichts wie weg.
Ich lebe übrigens jetzt in Baden-Württemberg. Glücklicherweise.
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