Freitag, 23. Januar 2009

Zeit und Raum II



Noch einmal die Krümmung von Zeit und Raum erleben, zurück nach Europa. Mein letzter Tag in Chicago. Die große Zeit- und Raumblase der Erinnerung ein weiteres Stück aufblasen, um sich später darin spiegeln zu können.

China Town



Eine dampfende Nudelsuppe mit Koriander und Basilikum; ein Lotuskuchen und grüner Tee. Das ist die counter history des globalen Fastfood. Und sehr lecker.

Epiphanie



Downtown Chicago. Ein Deli in der Adams Street am frühen Abend, einen Block vom Art Institute entfernt. Von dort kam ich gerade, auf dem Weg zur El-Station. Im Art Institute hängt Edward Hoppers bekanntestes Bild "Nighthawks".

Dienstag, 20. Januar 2009

Lake Michigan



Endlich, nach mehr als einer Woche, habe ich heute den See aus der Nähe gesehen. Die Wellen waren am Ufer gefroren und über den Schnee gelaufen wie Zuckerguss auf einem Kuchen.

Freitag, 16. Januar 2009

Kälte



Minus 24 Grad. Jeder Atemzug schneidet in der Nase, die Augen offenzuhalten kostet Überwindung. Die Stadt funktioniert unbeeindruckt weiter. Wachleute tragen so viele Schichten am Körper, dass es unmöglich ist zu sagen, ob sie schlank oder dick sind. Arbeiter in neonfarbenen Anzügen hacken Eis und streuen Salz. Obdachlose sitzen auf dem Gehweg über den Gittern der Abluftschächte. Die Stadt liegt in der Sonne und es ist bitterkalt.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Pilsen



Der Stadtteil Pilsen, benannt nach der böhmischen Biermetropole, war ursprünglich von polnischen Einwanderern bewohnt. Heute wohnen hier meist mexikanische Einwanderer. Spanisch ist die Verkehrssprache entlang der 18th Street. Nicht nur hier ist das öffentliche Leben zweisprachig. Weiter im Süden verläuft zwischen den USA und Mexiko eine der am besten gesicherten Grenzen der Welt. Im glorreichen Mythos der Frontier spiegelt sich der bittere Mythos von la frontera. Aber der Süden ist längst im Norden angekommen. Auch in Chicago, bei -13 Grad und Schnee.

Hinter der Maske



So hatten wir einmal das Motto unserer Silvesterparty genannt. Einige hatten sich einfache Zorromasken umgebunden, andere waren in aufwändigen venezianischen Masken erschienen. In Amerika, hat mir B. erklärt, gibt es die Maske des Alltags, die alle tragen, weil nur so die Vielfalt und Verschiedenheit ein Zusammenleben ermöglicht, in dem es keine Missverständnisse gibt. Die Persona war für die Griechen die Maske, die im Theater die Rolle des Schauspielers typisierte. Statt zu verbergen, zeigt sie die äußere Seite des Charakters und schützt die innere. "Hinter die Maske" sehen zu wollen, ist also ein Paradox, sie zeigt bereits das, was sie zu verbergen scheint. Man muss sie nur ansehen und sich nicht von ihr täuschen lassen.

Montag, 12. Januar 2009

Zeit und Raum



In Chicago weht Schnee durch die Straßen, dann bricht plötzlich die Sonne durch das Grau. Beide wechseln sich mehrmals ab. Am Millenium Park laufen Eltern mit ihren Kindern Schlittschuh. "The Bean" wird von den zahlreichen Touristen ein ums andere Mal fotografiert. Ein Laden gegenüber an der Michigan Avenue verkauft Obama Souvenirs. Zwischen den Häuserschluchten fahren die Hochbahnzüge und geben jedem Bild den Wiedererkennungswert. Auf dem Chicago River treiben Eisschollen in Richtung Michigansee. Downtown ist die Stadt vertikal, aber nur ein paar Stationen weiter draußen wird daraus ein Panoramaformat, das dem Himmel wieder zu seinem Recht verhilft.

Mit B. ist es, als hätten wir uns gestern zuletzt gesehen, dabei ist sie seit mehr als vier Monaten hier und noch länger haben wir uns nicht gesehen. Solche Freundschaften aber sind der Beweis der Relativitätstheorie. Sie krümmen Raum und Zeit und lassen uns weiter reisen, als wir es allein je könnten.