Mittwoch, 2. Mai 2007

Die Revolution ist ein Barbecue

1. Mai in Kreuzberg. Rauch liegt in der Luft. Hier und da riecht es nach verbranntem Fleisch. Pflastersteine werden feilgeboten, die echten, die schon 1987 ihren Dienst getan haben. Die Masse wälzt sich durch die Oranienstraße. Bei Sonnenunterg, die Temperaturen sinken merklich, heizt eine Altherrencombo mit weiblicher Unterstützung den Leuten noch mal so richtig ein. Der Name der Band: »Ton, Steine, Scherben«. Die Barbecuedichte an diesem Tag ist nach vorsichtiger Schätzung die höchste jemals gemessene. Sie dürfte sogar noch weit über der von Thüringen im Sommer liegen. Von multikultureller Grillgesellschaft ist dagegen wenig zu riechen und schmecken. Köfte dominiert deutlich über Nackensteak und vereinzelte Bratwürste. Einzig der Jamaica-Jerk-Chicken-Stand steht einsam wie ein Leuchtturm dazwischen. Bei den Getränken steht es 1:1 Deutschland gegen Brasilien. Die Becks-Elf schlägt sich wacker gegen die Caipirinha-Selecção. Apropos schlagen: Richtig geprügelt wurde auch wieder am späten Abend, was mich zu dem Schluss veranlasst, dass die Linke leider nicht klüger geworden ist in den vergangenen 20 Jahren. Das ist umso tragischer, da die Rechte immer cleverer in Erscheinung tritt. Wer gestern mit offenen Augen durch Kreuzberg lief, konnte auch dort den ein oder anderen Autonomen Rechten erkennen, der sich mit Palästinenser-Tuch, Che Guevara T-Shirt und langen Haaren unter die Menge gemischt hatte. Die rechten Gesinnungszeichen musste man in diesem revolution Sammelsurium schon genau suchen. Wenn die Linke nicht schnell aufwacht, wird sie auf diese Weise von rechts unterwandert. Viele linke Standpunkte wie Antikapitalismus und Antiglobalisierung werden von den Rechten schon seit langem vertreten. Auch hat sich die autonome Linke immer als tendenziell intolerant und gegen eine offene Gesellschaft gerichtet gezeigt. Anthony Giddins Analyse der postmodernen Gesellschaft »Jenseits von Rechts und Links hat diese Entwicklung bereits in den 90-er Jahren vorausgesagt. Giddins schreibt darin auch, was viele Linke ungern hören wollen: konservatives und fundamantalistisches Denken findet sich heute eher an den Rändern des politischen Spektrums - sowohl links als auch rechts. Die ehemalige Avantgarde (wenn sie es denn je war), wird inzwischen sogar von den ewig Gestrigen überrollt…

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